Gemeinsames Lernen entlang einer gemeinsamen Idee

Wenn alle Schülerinnen und Schüler einer Lerngruppe zwar an der gleichen fundamentalen Idee arbeiten, jedoch unterschiedliche Aspekte dieser fokussieren oder die Spanne für eine sinnvolle Kooperation zu groß wird, handelt es sich um ein gemeinsames Lernen entlang einer gemeinsamen Idee. Obwohl der Übergang von einem gemeinsamen Gegenstand zu der Arbeit entlang einer gemeinsamen Idee fließend ist, können beide Lernsituationen unterschieden werden. Hierbei werden die Ideen mehrerer verschiedener Einzelthemen und Einzelinhalte einer Kernidee auf verschiedenen Niveaus verfolgt, sodass der inhaltliche Rahmen einen verbindenden Bearbeitungskontext bietet. Damit werden zwar auch die Struktur und der Aufbau der fundamentalen Idee verdeutlicht, allerdings ist ein fachlicher Austausch über die zugrundeliegenden Beziehungen der fundamentalen Idee auf unterschiedlichen Niveaus nicht möglich bzw. sinnvoll, da es keinen gemeinsamen strukturellen Kern gibt.

Durch eine didaktische Flexibilität können verschiedene Situationen des gemeinsamen Lernens an einem gemeinsamen Gegenstand sowie entlang einer gemeinsamen Idee im inklusiven Mathematikunterricht umgesetzt werden, die sich wechselseitig ergänzen. Dabei bietet sich das gemeinsame Lernen entlang einer gemeinsamen Idee u. a. an, um Inhalte zu vertiefen, ein Lernen am gemeinsamen Gegenstand vorzubereiten oder wenn manche Inhalte für einzelne Lernende außerhalb ihrer mathematischen Kompetenzen liegen und damit die Spanne der individuellen Kompetenzen zu groß ist.

Beispiel: Im Anschluss an die oben skizzierte Arbeit an einem gemeinsamen Gegenstand könnten in einer folgenden Lernsituation die Schülerinnen und Schüler entlang einer gemeinsamen Idee arbeiten. Dazu könnten manche Lernende im Zahlenraum bis 1.000 den Zahlenstrahl, als eine Möglichkeit Zahlen darzustellen, nutzen, um die Idee der unterschiedlichen Darstellungsweisen von Zahlen zu erweitern. In dem Zusammenhang könnten sie verschiedene Zahlen am Zahlenstrahl eintragen oder vom Zahlenstrahl ablesen. Währenddessen könnten andere Lernende Dezimalbrüche in unterschiedlichen Darstellungsformen darstellen, z. B. in der Stellenwerttafel, in der Ziffernschreibweise oder als additive Zerlegung (z. B. 1E + 2z + 0h + 4t).

Zwar arbeiten weiterhin alle Schülerinnen und Schüler im weiteren Sinne am Aufbau von Zahlen, jedoch bezieht sich die gemeinsame Idee auf verschiedene Aspekte des Dezimalsystems, sodass es keinen gemeinsamen strukturellen Kern gibt, der einen fachlich sinnvollen Austausch der Schülerinnen und Schüler ermöglichen würde. Es wäre zwar theoretisch möglich, dass die Lernenden in einer kooperativen Lernsituation Aufgaben bearbeiten, die sich entweder auf das Legen von natürlichen Zahlen mit Dienes-Material oder auf den Umgang mit Dezimalbrüchen in der Stellenwerttafel beziehen, allerdings würde diese Aufgabe nur einen Aspekt fokussieren und würde die vorherigen Erarbeitungen eines Teils der Lerngruppe vernachlässigen. Stattdessen ließe sich fachliche Gemeinsamkeit der gesamten Lerngruppe beispielsweise innerhalb gemeinsamer Einstiegs- und Reflexionsphasen umsetzen, in denen der Fokus auf die gemeinsame Idee gerichtet wird. In dem gemeinsamen Einstieg könnten beispielsweise verschiedene Zahldarstellungen wiederholt werden. In der gemeinsamen Reflexionsphase könnten die Schülerinnen und Schüler über ihre Erkenntnisse sprechen. Die einzelnen Gruppen stellen dazu ihre Darstellungsformen von Zahlen vor und sprechen über Lösungen, Lösungswege und Strategien. Aufgabe der Lehrkraft wäre, durch geeignete Impulse die Lernenden zum Vergleichen und Diskutieren anzuregen.

Insgesamt bietet das gemeinsame Lernen entlang einer gemeinsamen Idee vielfältiges Potential für (ziel-) differenziertes Lernen. So können durch geeignete Differenzierungsmaßnahmen verschiedene adaptive Lernangebote gemacht werden, damit die Schülerinnen und Schüler auf unterschiedlichen Niveaus und an verschiedenen Einzelthemen einer fundamentalen Idee arbeiten können. Dadurch können beim individuellen Lernen und beim gemeinsamen Austausch der gesamten Lerngruppe in Einstiegs- und Reflexionsphasen verschiedene Aspekte der gleichen fundamentalen Idee thematisiert werden, ohne sich auf einen einzigen gemeinsamen strukturellen Kern konzentrieren zu müssen.

Damit ist beim Lernen entlang einer gemeinsamen Idee eine größere Vielfalt mathematischer Themen und Inhalte möglich als beim Lernen an einem gemeinsamen Gegenstand. Allerdings bezieht sich die Vielfalt der Inhalte auf dieselbe fundamentale Idee (vgl. Abb.).

Die Arbeit entlang einer gemeinsamen Idee schafft vielfältige Möglichkeiten, um über eigene Inhalte hinaus zu kommunizieren und kann zu Interesse an fachlichen Reflexionen und Vergleichen führen.